Welche Erfahrungen haben Sie von Ihrer Galapagos-Expedition mitgebracht?
Das Dümmste am Menschen ist seine Intelligenz! Andererseits begegneten mir auch
durchaus kluge Aussagen wie beispielsweise die eines Kellners, der sagte: „What I say
sounds good but I don’t know what I say.“
Dieser Satz basierte auf seinem Versuch Deutsch zu sprechen und entwickelte, ich nehme
an ungewollt, einen philosophischen Charakter. Meine Antwort lautete: “Don’t worry, you are
in good company.” Doch das nur als kleine Anekdote.
Die Galapagos-Inseln sind bekanntlich einer der maßgeblichen Orte, die Charles
Darwin zur Evolutionstheorie inspirierten. Darwin hatte bei seiner Heimkehr eine die
Welt umwälzende Theorie im Gepäck während Sie mit der Einsicht nach Hause kehren
„Das Dümmste am Menschen ist seine Intelligenz!“ Finden Sie diese Aussage nicht
etwas ungewöhnlich oder bisweilen extrem und provokativ?
Umwälzende Theorien im Gepäck zu haben bringt der Aufenthalt auf diesen Inseln wohl so
mit sich. Nicht anders mögen es viele Menschen empfunden haben, die erstmals mit den
revolutionären, die Welt verändernden Thesen des Herrn Darwin konfrontiert wurden. Für die
einen war es ein Schock, für die anderen eine unendliche Provokation und für einen anderen
Teil, dem der Wissenschaft geneigten Publikum, eine Offenbarung.
Darwin war seinerzeit Teil einer Avantgarde, die in Galilei und Kepler ihre Vorreiter hatte und
das wissenschaftliche Zeitalter einläutete, um mit einem multidimensionalen Universum ihr
vorläufiges Ende zu finden. Ein im Grunde schicksalhafter Prozess wie sich aus heutiger
Sicht erkennen lässt. Vielen wird es vielleicht ähnlich ergangen sein wie mir und sie fragten
sich: Was hat Darwin, der Ähnliches beobachtet hat wie wir, dazu angetrieben, die Idee einer
Evolutionstheorie zu entwickeln?
Sie sprachen, möglicherweise unbewusst, von „Inspiration“. Inspiration ist ein großer,
geheimnisvoller Begriff, hinter dem sich ein ganzes gedankliches Universum verbirgt.
Inspiration ist etwas, was in unseren Geist dringt und diesen affiziert, verbunden mit der
Frage: Wer oder was inspiriert uns? Ist es nicht so, dass es eines Geistes bedarf, um auf
den Geist zu wirken? Ist es nicht genau dieser Mechanismus, der zum Tragen kommt, wenn
Musik oder haptische Kunst auf uns einwirken? Begegnen sich in einem solchen Prozess
nicht unterschiedliche, interagierende Bewusstseinssphären?
Wenn Sie in ein solches Paradies wie die Galapagos-Insel kommen und beobachten, wie ein
Rädchen in das andere greift, harmonisch, elegant, ästhetisch, dann neigt man, selbst als
Atheist, zu frommen Gedanken. Was macht Darwin? Er reagiert genau entgegengesetzt und
das empfinde ich außerordentlich bemerkenswert. Ich bin der Auffassung, dass Darwin 1831
den Evolutionsgedanken bereits beim Betreten der HMS Beagle im Bordgepäck hatte – also
bevor das Schiff in See stach.
Bevor wir dieses Thema vertiefen, erzählen Sie uns etwas von ihren Eindrücken.
Ich fange einmal mit der Anreise an, die uns zur ersten Zwischenstation nach Quito führte.
Quito, die Hauptstadt Ecuadors, liegt auf einer Höhe von etwa 2800 – 3000 Metern über dem
Meeresspiegel, im Hochland der Anden. Im Grunde eine wunderschöne Landschaft mit teils
von Wolken eingehüllten, begrünten Hochplateaus, die von tiefen, einschneidenden Canyons
unterbrochen werden. Über diese großartige Landschaft sind, aus der Luft betrachtet,
zahlreiche, ockerfarbene, dichtgedrängte Behausungen verstreut, die auf mich so wirkten,
als breite sich etwas Erbrochens über ein wunderschönes Paradies aus. Am Boden
angekommen wechseln vereinzelte mehrstöckige Hochglanzfassaden mit ärmlichen
Behausungen, nicht fertiggestellten Bauruinen und den typisch chaotischen Kabelsträngen
ab, die den Himmel verdüstern. Ein Großteil der Fahrzeuge sind Pick-ups und SUVs, gefolgt
von kleineren alten Fahrzeugen. Quito entfaltet somit keinen spezifischen Charakter, es
ähnelt Bildern, die ich so ähnlich auch aus Thailand kenne, welches auf der anderen Seite
der Erdkugel gelegen ist. Von Spaziergängen nach Einbruch der Dunkelheit wird abgeraten,
das Übliche also, ebenso üblich wie die Einheitskleidung von Jeans, Turnschuhen, T-Shirt
und dem obligatorischen Accessoire, dem Handy. Die Straßenränder wurden hier und da
gesäumt von obdachlosen venezolanischen Flüchtlingen, die zu Fuß unterwegs waren und
auf Spanisch verfasste Schilder hochhielten, deren Botschaft sich mir, in Ermanglung von
den entsprechenden Sprachkenntnissen, entzog. Nun erfolgt ein Cut.
Unsere Landung erfolgte auf Baltra: eine Flugzeugpiste, wenige Gebäude und das war es.
Die Galapagos-Inseln liegen zwei Flugstunden vom Festland entfernt im Pazifik. Die
Inselgruppe ist vulkanischen Ursprungs, zart begrünt und bekannt für ihre einzigartige
Tierwelt. Ein Großteil der Inselgruppe ist als Naturpark ausgewiesen und unterliegt strengen
Regeln, auch was den Tourismus betrifft. Diese Region gehört den Tieren und Pflanzen und
nicht den Menschen. Was soll ich Ihnen sagen, man kommt in ein Paradies von Harmonie
und ökologischen Gleichgewichten, welches sich vor allem dadurch hervortut, dass den
Tieren jede Angst vor dem Menschen fremd erscheint. Man kann den Fuß 10 cm neben eine
Echse, einen Seelöwen oder einen der zahlreichen Großvögel setzen, und sie bewegen sich
nicht, zeigen keinerlei Scheu und scheinen voller Vertrauen in die Welt. Es ist eine Welt, in
der der Mensch offensichtlich nicht als Feind betrachtet wird.
Wie erklären Sie sich das?
Ich bin kein Verhaltensbiologe, aber die Vermutung liegt nahe, dass diese Natur ihren
eigenen Regeln und Gesetzen unterworfen ist. Sie blieb und ist bis heute von äußeren
Einflüssen weitestgehend unberührt und hatte so die Möglichkeit einer Nischenbildung, die
es ihren Bewohnern erlaubt, einer direkten Konkurrenz aus dem Wege zu gehen. Auffällig ist
auch das gesellige Sozialverhalten vieler Tiere, wie das der Seelöwen und Echsen, die
häufig in Kolonien zusammenleben und oft rührend beisammen liegen, die Nähe zueinander
sichtlich suchen.


Ich möchte das Leben der Tiere auf Galapagos keineswegs romantisieren. Natürlich gibt es
in Abhängigkeit von üblichen klimatischen Veränderungen, dem El Niño beispielsweise,
Engpässe das Nahrungsangebot betreffend, was zu einem Sinken der Populationen führen
kann. Doch stehen diese im Wechsel mit Zeiten günstiger Lebensbedingungen, in denen die
Populationen wieder überdurchschnittlich wachsen können. Es wird geboren, es wird
gestorben, alles geschieht gleichzeitig und nebeneinander, auf eine ganz natürliche Weise.
Das ist alles im Grunde nichts Neues, was ich Ihnen in einer sehr verkürzten Form erzähle.
Das Interessante ist zu erleben, anzuschauen und zu begreifen, dass es eben so
funktioniert. Es sind im Grunde die gleichen Mechanismen wie wir sie aus Afrika kennen, wo
große Tierherden und verschiedene Arten auf eine Art und Weise interagieren, dass eine
sich selbsterhaltende große Harmonie entsteht. Das Problem innerhalb all diesen Systemen
tritt erst mit dem Eingreifen des Menschen in Erscheinung. Das Auffälligste und
Faszinierendste war: Die Tiere haben keine Angst. Sie leben im Vertrauen in die Natur und
mit der Natur; und dies trotz Ereignissen, die wir Menschen als Tragödien empfinden
würden.
Okay, nun beginne ich zu erahnen, worauf Ihre Skepsis in Bezug auf die menschliche
Intelligenz basiert. Wie ist Ihre Einstellung zu Darwins Evolutionstheorie?
Darwins Theorie bedient sich folgender Eckpfeiler:
- Variation: Veränderungen von Körpermerkmalen entstehen zufällig. Heute wissen
wir, dass sie auf Mutation beruhen. - Anpassung: Durch Ausbildung dieser zufälligen Merkmalsänderungen vermehren
sich diejenigen in stärkerem Maße, die hierdurch ein Vorteil im Kampf ums Überleben
erhalten und somit besser an die Umweltbedingungen angepasst sind. - Selektion: Die am besten angepassten Individuen haben die besten Überlebens-
chancen und geben ihre Eigenschaften an die nächste Folgegeneration weiter
(„survial of the fittest“).
Gegen diese Eckpfeiler gibt es im Grunde nicht viel zu sagen. Doch woher nahm Darwin die
Gewissheit, dass die Merkmalsänderungen auf Zufall basieren? Was wissen wir über das
Zustandekommen von Mutationen und was von dem, was wir wissen, sind wir aufgrund
eines präjudizierenden Weltbildes bereit, in eine Theorie zu integrieren?
Um die Darwin’sche Theorie besser zu verstehen, müssen wir diese vor dem Hintergrund
ihrer Zeit diskutieren. Darwin forderte das religiöse Establishment heraus, und dann passiert
das, was häufig passiert: Der Diskurs polarisiert und manifestiert sich in offensichtlich
unvereinbaren Positionen. Plötzlich sind so viele Emotionen im Spiel, dass so etwas wie
wissenschaftliche Objektivität und Sachlichkeit zwangsläufig auf der Strecke bleiben.